13.06.2019
Chinas ehemaliger Wissenschaftsminister Dr. Wan Gang (links-vorne) beim H2-MOBILITY-Kongress in Berlin 2016 (Foto: Dr. Roland Kaisik/H2yOu)
Der Mann, der Peking davon überzeugt hat, auf Elektrofahrzeuge zu setzen, sagt, es sei Zeit für die nächste bahnbrechende Innovation in der Autoindustrie.
Wasserstoff betriebene Brennstoffzellfahrzeuge haben aufgrund hoher Kosten und anderer Faktoren Probleme, an Boden zu gewinnen. China kann dies jedoch ändern, indem es die Technik zu einem Thema von nationaler Priorität macht.
Übersetzung des Artikels von Bloomberg:
Seine Vision, China zu einem führenden Land der Elektromobilität zu machen, revolutionierte die weltweite Autoindustrie und festigte den Abkehrtrend vom Verbrennungsmotor. Jetzt sagt Wan Gang, kommt der nächste bahnbrechende Moment.
Im weltgrößten Automarkt werden Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeuge genauso wie Elektrofahrzeuge von Bedeutung sein, sagte Wan, der als Vater der chinesischen Elektroautobewegung gilt, am 9. Juni in einem seltenen Interview in Peking.
Als ehemaliger Audi-Manager, der später Chinas Minister für Wissenschaft und Technologie wurde, überzeugte Wan vor zwei Jahrzehnten die führenden Unternehmen, auf die damals noch unerprobte Technologie der Fahrzeugelektrifizierung zu setzen. Er tat dies nicht nur um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sondern auch, um die großen Probleme Chinas bezüglich der Abhängigkeit von Ölimporten und der zunehmenden Umweltverschmutzung anzugehen.
Seine Strategie - staatliche Subventionen zu nutzen, um Autohersteller und Konsumenten an Bord zu holen - führte dazu, dass in China heute jedes zweite Elektrofahrzeug verkauft wird.
Und jetzt ist Wasserstoff an der Reihe, sagte Wan.
"Wir sollten uns um die Gründung einer Wasserstoffgesellschaft bemühen", sagte Wan, 66, der jetzt stellvertretender Vorsitzender des nationalen Beratungsgremiums für Politikgestaltung in China ist. Diese Rolle ist gewichtiger als die eines Ministers und gibt ihm eine Stimme bei der zukünftigen Planung des Landes. "Wir müssen uns weiter in Richtung Brennstoffzellen bewegen."
Das bedeutet, dass die Regierung Ressourcen für die Entwicklung solcher Fahrzeuge bereitstellen wird, sagte er. Während China plant, das langfristige Förderprogramm für die ausgereifte Elektrofahrzeugindustrie im nächsten Jahr auslaufen zu lassen, könnten die staatlichen Mittel für Brennstoffzellenfahrzeuge bis zu einem gewissen Grad erhalten bleiben, sagte Wan.
Trotz der Unterstützung von Branchenriesen wie Toyota und der Vorteile von Brennstoffzellenfahrzeugen - sie tanken schneller und sind für lange Strecken besser geeignet als reine Elektrofahrzeuge - hat sich die Technologie wegen hoher Kosten nicht durchgesetzt.
Aber China hat die Kraft, alles zu ändern, was dazu führen sollte, dass wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zu einer nationalen Priorität werden - der Wendepunkt, auf den die Branche jahrzehntelang gewartet hat.
Für den in Deutschland ausgebildeten Maschinenbauingenieur Wan ist die Umstellung auf Wasserstoff ein natürlicher Schritt, um die Vision zu verwirklichen, dass Elektroautos den innerstädtischen Verkehr beherrschen, während Busse und Lastwagen mit Wasserstofftanks auf den Autobahnen des Landes für Fernreisen unterwegs sind.
Die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen sei trotz einer reichlich vorhandenen Wasserstoffversorgung in China nur schleppend vorangekommen, sagte Wan. Dort seien derzeit nur rund 1.500 solcher Fahrzeuge im Einsatz, gegenüber mehr als zwei Millionen rein elektrischen Fahrzeugen.
Nicht nur in China, weltweit hat die Brennstoffzelltechnologie wegen der hohen Kosten - eine der Schlüsselkomponenten ist Platin - , der Komplexität der Wasserstoffspeicherung und der mangelden Infrastruktur Probleme Fuß zu fassen.
Dann ist da noch die Frage der Entflammbarkeit von Wasserstoff, wie der jüngste Brand an einer Tankstelle in Norwegen zeigt.
"Wir werden die Faktoren klären, die die Entwicklung von Brennstoffzellenfahrzeugen behindert haben", sagte Wan.
In Japan werden Anstrengungen unternommen, die Zahl von Brennstoffzellenfahrzeugen auf den Straßen bis 2020 auf 40.000 zu erhöhen, nach der Einschätzung von BloombergNEF, ist man von diesem Ziel aber noch weit entfernt.
In Europa hat der Mercedes-Benz-Konzern eine Brennstoffzellenversion seines beliebten Geländewagens GLC auf den Markt gebracht. In den USA versucht die California Fuel Cell Partnership, die Technologie mit bisher begrenztem Erfolg zu fördern.
Zurück zu China, hier scheinen Busse besonders reif für Brennstoffzellen zu sein, die mithilfe eines chemischen Prozesses Wasserstoff in Elektrizität umwandeln und dabei nur Wasserdampf abgeben. China ist bei der Nutzung von Elektrobussen mit Abstand weltweit führend - laut BNEF-Forscher waren es letztes Jahr 99 Prozent -, doch sie werden hauptsächlich in Städten für kurze Entfernungen eingesetzt.
Wasserstoffbusse sind in der Lage, mehr als 500 km (310 Meilen) mit einem vollen Tank zu fahren, gegenüber etwa 200 km bei elektrischen Bussen. Das ist eine große Chance, denn für jeden innerstädtischen Bus gibt es in China, im Verhältnis dazu, fünf Fernbusse.
China fördert die Einführung von Wasserstofffahrzeugen in ausgewählten Versuchsregionen, um die Wertschöpfungskette, Wasserstoffproduktion, -speicherung, -transport und -betankung abzubilden, sagte Wan.
Laut einem BNEF-Bericht vom vergangenen Monat sind Nutzfahrzeuge mit großer Reichweite derzeit aufgrund von Gewichts- und Reichweitenbeschränkungen nicht für den Batteriebetrieb geeignet. Brennstoffzellen wären eine gute Alternative, wenn die Regierung die Beschränkungen für die Wasserstofftankinfrastruktur aufheben würde.
Jenseits der Wasserstoffthematik äußerte sich Wan skeptisch über die Vorstellung, dass Computer den Menschen auf dem Fahrersitz vollständig ersetzen werden.
"Ich glaube, dass die Leute immer noch fahren wollen oder ein Gefühl der Kontrolle haben möchten", sagte Wan.
Er sagte auch, dass es keine Pläne für ein nationales Verbot für den Verkauf von Benzinfahrzeugen gebe, da die Provinzbehörden ihre eigenen Entscheidungen treffen könnten.
Das derzeitige in China gültige Emmissionshandelssystem, das den weltweit angewendeten Emissionshandelssystemen für Emissionsrechte ähnelt, werde fortgesetzt, aber schrittweise auf ein einheitliches Emissionshandelssystem umgestellt.
China verlangt von allen Automobilherstellern eine Mindestquote bei der Produktion von emmissionsfreien Neufahrzeugen, einschließlich Brennstoffzellfahrzeugen. Autohersteller, die diese Quote nicht einhalten, können Zertifikate von Mitbewerbern kaufen, die diese Mindestquote überschreiten.
"Wir haben die Verantwortung, Emissionen zu reduzieren", sagte Wan.